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Ella Hummelsteg, auch die Else Kling von Stötteritz genannt, lebt inkognito in Leipzig, haßt Tiere und wäre gern alleinstehend. Ihre Hausfrauenphilosophie erschien wöchentlich in der Tageszeitung junge Welt und in der online Ausgabe der Leipziger Frauenzeitung EVENTuell. Hier gibts einige ihrer Werke. Auf eine Veröffentlichung aller Ella-Weisheiten wird die Fangemeinde jedoch noch ein wenig warten müssen.

 
 

Das Meg-Syndrom

 

Es ist wieder so weit. Ich habe sie gesehen. Auf einer Litfaßsäule, riesengroß, hämisch und nur für mich dort aufgehängt. Wenn es nur das Gesicht wäre. Wegen mir kann Meg Ryan aussehen, wie sie will. Wen kümmert's, ob ihre Augen blau oder braun und ihre Nase knuddelig oder schmal ist? Mir persönlich ist das piepegal, wie mir überhaupt die ganze Meg Ryan sowas von schnurz ist. Wenn da nicht jene höhere Macht wäre, die mich sofort wie ferngesteuert in den nächsten Friseurladen rennen läßt, um mir die neue Meg-Ryan-Frisur verpassen zu lassen.
Natürlich wehre ich mich. Wer läßt sein Leben schon gern von Hollywood diktieren, wenn er nicht Steven Spielberg heißt? Ich rede mir ein, daß meine jetzige Frisur auch ganz hübsch ist. Was meistens nicht stimmt, immerhin handelt es sich ja dabei auch um Meg Ryan.
Nun beginnt der schwierigere Teil. In intensivem Selbststudium vor der Litfaßsäule und unter Zuhilfenahme einschlägiger Magazine gilt es, sich Details einzuprägen. Denn nie wieder werde ich einem Friseur ein rausgerissenes Zeitungsbild unter die Nase halten und ankündigen, so eine Frisur wolle ich auch. Der Kerl hat den ganzen Laden zusammengeschrieen: "Wie Meg Ryan wollen Sie aussehen?" Und es klang wie: Sie schiefgesichtiges, ungeschminktes, fahlblond-langweiliges Landtrampel? Um mir die Vermessenheit meines Ansinnens lebenslang zu verdeutlichen entließ er mich mit einem Look, der nichts von Meg Ryan erahnen ließ, aber Angela Merkel bedenklich nahe kam.
Deshalb: Nie sagen, wo man den Wunsch nach genau dieser Frisur her hat. Der verständnisvolle Meister wird eh sofort wissen, um welchen Film es sich handelt, da schon 125 andere Frauen da waren, die genau das gleiche wollten. Denn wie Magersucht und Rinderwahn handelt es sich beim Meg-Ryan-Syndrom um eine ernstzunehmende, bislang maßlos unterschätzte Zivilisationskrankheit. Erstaunlicherweise werden davon nur Frauen befallen - zumindest habe ich noch nie von einem Mann gehört, der aussehen wollte wie Tom Hanks. Andererseits, warum sollte er auch?
Der Friseurbesuch der Betroffenen gestaltet sich ansonsten nicht anders als der normaler Menschen, nämlich tragisch. Immerhin sind die Zeiten vorbei, da man sich auf einem unbequemen roten Stuhl, festgenagelt mit einem zentnerschweren Umhang, fremde Lebensweisheiten und die eigenen unerquicklichen Entgegnungen anhören mußte. Heutzutage darf man schweigen, was das Ergebnis nicht besser macht. Deshalb: Zum Friseur nie anders als im Kapuzenpulli, mit Kopftuch, wenn's draußen finster ist und die Straßenbeleuchtung ausgeschaltet oder mit Beil zum Kopf-Abhacken!
Abgesehen davon bringt Meg Ryan immerhin Abwechslung ins Leben. Nichts schlimmer als Menschen, die jahrzehntelang mit demselben Topfschnitt durchs Leben rennen. Vorsicht, bei denen kann auch unterm Pony nicht viel los sein! Wenn so ein bemitleidenswertes Wesen einem freudestrahlend mitteilt: "Ich war beim Friseur." kann man nur verwirrt den gegnerischen Schopf nach einem klitzekleinen Anzeichen einer Veränderung seit 1975 absuchen und irgendwas von "hübsch" mumeln. Bei mir murmelt niemand was von hübsch, wenn ich vom Haareschneiden komme. Aber so ist es eben: Friseur muß weh tun, so wie Alkohol drehen muß.
Diesmal also muß ich meine Haare ein winziges Stück wachsen und ringsrum Korkenzieherlöckchen hinein chemisieren lassen. Ganz reizend. Das einzige Problem - ganz abgesehen davon, daß ich aussehen werde wie eine geplatzte Seegrasmatratze: Ich trete mit meinem Lockenköpfchen aus dem Friseurladen und erblicke eine Litfaßsäule. Darauf Meg Ryan. Mit Igel. Ella Hummelsteg