Unterschrift

Ella Hummelsteg, auch die Else Kling von Stötteritz genannt, lebt inkognito in Leipzig, haßt Tiere und wäre gern alleinstehend. Ihre Hausfrauenphilosophie erschien wöchentlich in der Tageszeitung junge Welt und in der online Ausgabe der Leipziger Frauenzeitung EVENTuell. Hier gibts einige ihrer Werke. Auf eine Veröffentlichung aller Ella-Weisheiten wird die Fangemeinde jedoch noch ein wenig warten müssen.

 
 

Rosa Prosa

 

Es gibt einen Ärger, der wohlig ist, ein klebrig-warmer Ekel wie nach dem 25. Riegel Kinderschokolade. Dieses Gefühl übermannt frau regelmäßig am Briefkasten. Zumindest die Frau, die wie ich mit einem "Brigitte"-Abo gesegnet ist. Geschenk-Abo, versteht sich. Von einem bösen Menschen, der es selbstverständlich nicht gut mit einem meint, denn - unter uns gesagt - "Brigitte" kann man auf gar keinen Fall abonnieren. Man selbst würde das nie tun. "Brigitte" ist widerlich und reaktionär. "Brigitte" ist einfach super.
Meiner homöopathische Frauenärztin kündigte ich die Treue, als eines Tages im Wartezimmer "Emma" statt "Brigitte" auslag. Was glaubt diese Person eigentlich, warum man dorthin kommt? Dann lieber menschenverachtende Apparatemedizin, aber mit Spaß. Man schlägt die duftenden Seiten auf - jawohl, duftende Seiten, der werbenden Kosmetikindustrie sei Dank - und fühlt sich sofort wie früher beim öffnen eines Westpaketes. "Brigitte" ist ein Westpaket, kommt nur öfter. Sie ist schon deshalb ein solches, weil sie lauter wunderhübsche Dinge enthält, die kein Mensch braucht. Aber die man sich immer wieder auf's Wohnzimmerbuffet legen will, um ehrfurchtsvoll darüber zu streichen. So sind schon die Worte, die wohlriechend und federleicht der "Brigitte" entschweben. Die möchte man nehmen und sich an die Wange kuscheln: Wellness. Modisches Basisprogramm. Duftakkord. Morning-Lift. Aromapflege. Beauty-Tipp. Landhausstil. Aqua-Fitness. Da weiß man, was man nicht hat.
Aber es gibt Hoffnung, säuselt einem "Brigitte" ins Ohr. Auch Du kannst eine von uns werden. Deshalb schlage ich am liebsten die Vorher-Nachher-Seiten auf. Darauf sieht man blasse, weil gänzlich ungeschminkt dem Fotolicht ausgesetzte Mittfünfzigerinnen in kackbraunen Kartoffelsäcken, die sich auf wundersame Art und Weise in strahlend bunte, dynamisch-kecke Twenty-Somethings (jawohl, so heißt das!) verwandeln, deren Aussehen nun auch mit ihren Berufen korrespondiert. Es handelt sich dabei immer um Art- Direktorinnen, Fashion-Designerinnen oder gar Network-Consultants - was immer das sein mag. Und sie kommen nie aus dem Osten - aber warum sollte man auch, sagen wir mal, eine arbeitslose Backwarenverkäuferin umstylen? Diese Frauen hier haben Ziele im Leben: "Die unkomplizierte Powerfrau bevorzugt natürliche Töne und läßt ihren Bob alle vier Wochen einen Zentimeter kürzen." Ich mag nicht darüber nachdenken, wie der Bob das findet. Aber ich nehme mir fest vor, auch eine unkomplizierte Powerfrau zu werden oder aber Art-Fashion- Consultant oder am besten alles. Es ist wie das erste Glas Wein am Abend: Mehr, davon brauche ich mehr, jetzt sofort!
Schon halb weggetreten, mit umflortem Blick schlage ich die Modeseiten auf. Mein Gehirn hat auf Energiesparen geschaltet und wird sanft massiert durch formvollendeten "Brigitte"-Sprech: "Dieser Stoff wirkt wie ein Aquarell aus Pinselstrichen.", "Perlenschimmer im Licht der aufgehenden Sonne - fernöstliche Inspiration für zierliche Pantoletten aus Metallic-Leder." oder: "Mandelrosa ist eine schöne Basisfarbe." Das soll fortan mein Motto sein. Irgendwie ist mir auch schon ganz mandelrosa. Ich bin in Trance und schaffe es gerade noch, mich zu den Kochseiten durchzuzappen. Hier erfahre ich, wie ich in nur 45 Minuten täglich ein gesundes (Power-)Menü für meine Familie zaubern kann. Wie jetzt? Soll ich doch lieber Hausfrau und Mutter werden, äh Verzeihung, Housewife and Mother?
Egal, ich krieg eh nix mehr mit. Erst am nächsten Morgen kommt das schlimme Erwachen. Was habe ich getan? Einen ganzen Abend "Brigitte" gelesen! Na gut, besser als auf der Straße rumzulungern, Kinder zu verprügeln oder "Elle" zu lesen. "Brigitte" beruhigt immerhin, sie ist die Hildegard Hamm-Brücher unter den Frauenzeitschriften - die wahnhaft von sich glaubt, sie wäre mindestens Madonna. Ist sie aber nicht, und das ist gut so.
Ella Hummelsteg