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Es gibt einen Ärger, der wohlig ist, ein klebrig-warmer Ekel wie nach dem 25. Riegel
Kinderschokolade. Dieses Gefühl übermannt frau regelmäßig am Briefkasten. Zumindest die
Frau, die wie ich mit einem "Brigitte"-Abo gesegnet ist. Geschenk-Abo, versteht sich. Von
einem bösen Menschen, der es selbstverständlich nicht gut mit einem meint, denn - unter uns
gesagt - "Brigitte" kann man auf gar keinen Fall abonnieren. Man selbst würde das nie tun.
"Brigitte" ist widerlich und reaktionär. "Brigitte" ist einfach super.
Meiner homöopathische Frauenärztin kündigte ich die Treue, als eines Tages im
Wartezimmer "Emma" statt "Brigitte" auslag. Was glaubt diese Person eigentlich, warum
man dorthin kommt? Dann lieber menschenverachtende Apparatemedizin, aber mit Spaß.
Man schlägt die duftenden Seiten auf - jawohl, duftende Seiten, der werbenden
Kosmetikindustrie sei Dank - und fühlt sich sofort wie früher beim öffnen eines Westpaketes.
"Brigitte" ist ein Westpaket, kommt nur öfter. Sie ist schon deshalb ein solches, weil sie lauter
wunderhübsche Dinge enthält, die kein Mensch braucht. Aber die man sich immer wieder
auf's Wohnzimmerbuffet legen will, um ehrfurchtsvoll darüber zu streichen. So sind schon
die Worte, die wohlriechend und federleicht der "Brigitte" entschweben. Die möchte man
nehmen und sich an die Wange kuscheln: Wellness. Modisches Basisprogramm. Duftakkord.
Morning-Lift. Aromapflege. Beauty-Tipp. Landhausstil. Aqua-Fitness. Da weiß man, was
man nicht hat.
Aber es gibt Hoffnung, säuselt einem "Brigitte" ins Ohr. Auch Du kannst eine von uns
werden. Deshalb schlage ich am liebsten die Vorher-Nachher-Seiten auf. Darauf sieht man
blasse, weil gänzlich ungeschminkt dem Fotolicht ausgesetzte Mittfünfzigerinnen in
kackbraunen Kartoffelsäcken, die sich auf wundersame Art und Weise in strahlend bunte,
dynamisch-kecke Twenty-Somethings (jawohl, so heißt das!) verwandeln, deren Aussehen
nun auch mit ihren Berufen korrespondiert. Es handelt sich dabei immer um Art-
Direktorinnen, Fashion-Designerinnen oder gar Network-Consultants - was immer das sein
mag. Und sie kommen nie aus dem Osten - aber warum sollte man auch, sagen wir mal, eine
arbeitslose Backwarenverkäuferin umstylen? Diese Frauen hier haben Ziele im Leben: "Die
unkomplizierte Powerfrau bevorzugt natürliche Töne und läßt ihren Bob alle vier Wochen
einen Zentimeter kürzen." Ich mag nicht darüber nachdenken, wie der Bob das findet. Aber
ich nehme mir fest vor, auch eine unkomplizierte Powerfrau zu werden oder aber Art-Fashion-
Consultant oder am besten alles. Es ist wie das erste Glas Wein am Abend: Mehr, davon
brauche ich mehr, jetzt sofort!
Schon halb weggetreten, mit umflortem Blick schlage ich die Modeseiten auf. Mein Gehirn
hat auf Energiesparen geschaltet und wird sanft massiert durch formvollendeten "Brigitte"-Sprech: "Dieser Stoff wirkt wie ein Aquarell aus Pinselstrichen.", "Perlenschimmer im Licht
der aufgehenden Sonne - fernöstliche Inspiration für zierliche Pantoletten aus Metallic-Leder."
oder: "Mandelrosa ist eine schöne Basisfarbe." Das soll fortan mein Motto sein.
Irgendwie ist mir auch schon ganz mandelrosa. Ich bin in Trance und schaffe es gerade noch,
mich zu den Kochseiten durchzuzappen. Hier erfahre ich, wie ich in nur 45 Minuten täglich
ein gesundes (Power-)Menü für meine Familie zaubern kann. Wie jetzt? Soll ich doch lieber
Hausfrau und Mutter werden, äh Verzeihung, Housewife and Mother?
Egal, ich krieg eh nix mehr mit. Erst am nächsten Morgen kommt das schlimme Erwachen.
Was habe ich getan? Einen ganzen Abend "Brigitte" gelesen! Na gut, besser als auf der Straße
rumzulungern, Kinder zu verprügeln oder "Elle" zu lesen. "Brigitte" beruhigt immerhin, sie
ist die Hildegard Hamm-Brücher unter den Frauenzeitschriften - die wahnhaft von sich glaubt,
sie wäre mindestens Madonna. Ist sie aber nicht, und das ist gut so.
Ella Hummelsteg
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