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Ella Hummelsteg, auch die Else Kling von Stötteritz genannt, lebt inkognito in Leipzig, haßt Tiere und wäre gern alleinstehend. Ihre Hausfrauenphilosophie erschien wöchentlich in der Tageszeitung junge Welt und in der online Ausgabe der Leipziger Frauenzeitung EVENTuell. Hier gibts einige ihrer Werke. Auf eine Veröffentlichung aller Ella-Weisheiten wird die Fangemeinde jedoch noch ein wenig warten müssen.

 
 

Eins, zwei, tipp

 

Gern würde ich mal wieder tanzen gehen. Ich meine, so richtig. Mit roten Schuhen und Kleidchen. Mit vorher lange baden und Locken ondolieren. Mit verzweifelt vorm Kleiderschrank stehen, bis man alles rausgezerrt und verworfen hat und schon beschließt, heute abend doch zu Hause zu bleiben oder besser gleich aus dem Fenster zu springen, bis einen der blanke Überlebenswille die Sachen greifen läßt, die man ganz zu Anfang anhatte. Mit Schlange stehen am Einlaß und mit den Freundinnen gucken, wer schon da ist. Eben richtig, nicht Party-tanzen, sondern Tanzen-tanzen. Ringelpietz mit Anfassen. Rambazamba aufm Damba. Bis früh um fünfe kleine Maus, ihr wißt schon.
Konzert mit Tanz nannte sich das früher, aber in Wahrheit Dorfbums. Man mußte weit laufen, auf irgendwelche Kuhkäffer und zurück sowieso, weil da war der Bus immer weg. Die Dorfjugend machte den Einlaß, und vor der Tür stand der dicke Freddy - den gab es in jeder Klitsche. Und die Band spielte immer "Words don't come easy". Da mußte man sich mit dem kleinen Lutz aus dem Uhrmacherladen drehen, bis einem schwindelig wurde. Words don't come easy, deshalb nach jeder Runde an die Theke. Abwechselnd gelb, weiß und - sehr beliebt - giftgrün. Prost Pfeffi. Das waren noch reelle Spirituosen, die den Namen verdienten. Zum Essen ging man in die Küche, wo die 150jährige Kneiperoma mit Bockwürsten hantierte und erzählte, was sie gehört hatte, wer mit wem. Wenn es ihr im Saal zu laut wurde, schmiß sie schon mal einen kleinen Teller ins Gewühl - Oma war die wahre Ordnungsgruppe. Die stand mittlerweile auch an der Theke, versunken in den ewigen Kreislauf von gelb-weiß-grün. Dazwischen wurde getanzt. Eins zwei tipp. Wie schon die Altvorderen sangen: "Fräulein, könnse linksrum tanzen". Ist schwer, aber große Hammermühle kann ich gut.
Wer jetzt nicht weiß, was das ist und wie das geht, hat sich schon verraten. Das ist einer von denen, die in ungelüfteten Jugendzimmern mit leerem Blick und rudernden Armen allein vor sich hin hopsen und dann denken, sie hätten getanzt. Nein, mein Lieber, dazu gehören immer noch zwei. Da möchte man auch ordentlich aufgefordert werden - schon damit man Körbe verteilen kann. Diese Freude entgeht den jungen Frauen von heute. Wahrscheinlich zahlen die am Ende noch ihr Bier selber, weil die alte Lebensweisheit "Mit drei Mark hin, mit fünf zurück" von den Müttern an die Töchter nicht weitergegeben wurde. Dahinter steckt einer der ganz seltenen Fälle historischer Gerechtigkeit: Einmal die ausnehmen, die es den Rest ihres Lebens immer besser haben sollten. Gelb-weiß-grün, darüber sollten Feministinnen mal nachdenken.
Vorher aber sollten sie tanzen lernen, ein zwei tipp. Erst mit Lutz, dann mit Freddy. Gern auch mit der Freundin. Bloß aufpassen: Bis zur langsamen Runde muß alles entschieden sein. Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr, sondern wird vielmehr einsam durch die Thekengänge wandeln und Ausschau halten, wer auf der Tanzfläche knutscht und mit wem sich noch ein Klarer kippen läßt. Und mit wem man nach Hause läuft.
Irgendwann ist eh alles zu spät, dann geht das junge Paar zum "Tanz ab 30". Da wird schon fast nur noch Polka gespielt. Jetzt gibt's keinen Schnaps mehr, sondern einen schönen Lindenblättrigen. Natürlich nicht aus der Flasche, sondern einem schmiedeeisernen Weinspender. Das junge Pärchen sitzt mit einem anderen jungen Pärchen am Tisch, und in der Pause knabbert man Salzstangen.
Na gut, das hatte man sich vielleicht anders vorgestellt, als man in der Tanzschule, artig im Rock, in einer lange Reihe mit den anderen Mädchen saß und auf die Jungsreihe gegenüber schielte. Dann wurde es doch nur Falko Winkler, der sich den Strauß, mit dem der Herr die Dame zum Abschlußball abzuholen hat, von mir bezahlen ließ. Ich dachte, er sei ein besonders ekelhaftes Exemplar der Gattung. Da kannte ich letztere noch nicht. Egal, zum Tanzen braucht man sie einfach. Und ich möchte so gern mal wieder. Wer die große Hammermühle kann, darf mich auffordern. Ella Hummelsteg