|
Gern würde ich mal wieder tanzen gehen. Ich meine, so richtig. Mit roten Schuhen und
Kleidchen. Mit vorher lange baden und Locken ondolieren. Mit verzweifelt vorm
Kleiderschrank stehen, bis man alles rausgezerrt und verworfen hat und schon beschließt,
heute abend doch zu Hause zu bleiben oder besser gleich aus dem Fenster zu springen, bis
einen der blanke Überlebenswille die Sachen greifen läßt, die man ganz zu Anfang anhatte.
Mit Schlange stehen am Einlaß und mit den Freundinnen gucken, wer schon da ist. Eben
richtig, nicht Party-tanzen, sondern Tanzen-tanzen. Ringelpietz mit Anfassen. Rambazamba
aufm Damba. Bis früh um fünfe kleine Maus, ihr wißt schon.
Konzert mit Tanz nannte sich das früher, aber in Wahrheit Dorfbums. Man mußte weit laufen,
auf irgendwelche Kuhkäffer und zurück sowieso, weil da war der Bus immer weg. Die
Dorfjugend machte den Einlaß, und vor der Tür stand der dicke Freddy - den gab es in jeder
Klitsche. Und die Band spielte immer "Words don't come easy". Da mußte man sich mit dem
kleinen Lutz aus dem Uhrmacherladen drehen, bis einem schwindelig wurde. Words don't
come easy, deshalb nach jeder Runde an die Theke. Abwechselnd gelb, weiß und - sehr
beliebt - giftgrün. Prost Pfeffi. Das waren noch reelle Spirituosen, die den Namen verdienten.
Zum Essen ging man in die Küche, wo die 150jährige Kneiperoma mit Bockwürsten hantierte
und erzählte, was sie gehört hatte, wer mit wem. Wenn es ihr im Saal zu laut wurde, schmiß
sie schon mal einen kleinen Teller ins Gewühl - Oma war die wahre Ordnungsgruppe. Die
stand mittlerweile auch an der Theke, versunken in den ewigen Kreislauf von gelb-weiß-grün.
Dazwischen wurde getanzt. Eins zwei tipp. Wie schon die Altvorderen sangen: "Fräulein,
könnse linksrum tanzen". Ist schwer, aber große Hammermühle kann ich gut.
Wer jetzt nicht weiß, was das ist und wie das geht, hat sich schon verraten. Das ist einer von
denen, die in ungelüfteten Jugendzimmern mit leerem Blick und rudernden Armen allein vor
sich hin hopsen und dann denken, sie hätten getanzt. Nein, mein Lieber, dazu gehören immer
noch zwei. Da möchte man auch ordentlich aufgefordert werden - schon damit man Körbe
verteilen kann. Diese Freude entgeht den jungen Frauen von heute. Wahrscheinlich zahlen die
am Ende noch ihr Bier selber, weil die alte Lebensweisheit "Mit drei Mark hin, mit fünf
zurück" von den Müttern an die Töchter nicht weitergegeben wurde. Dahinter steckt einer der
ganz seltenen Fälle historischer Gerechtigkeit: Einmal die ausnehmen, die es den Rest ihres
Lebens immer besser haben sollten. Gelb-weiß-grün, darüber sollten Feministinnen mal
nachdenken.
Vorher aber sollten sie tanzen lernen, ein zwei tipp. Erst mit Lutz, dann mit Freddy. Gern auch
mit der Freundin. Bloß aufpassen: Bis zur langsamen Runde muß alles entschieden sein. Wer
jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr, sondern wird vielmehr einsam durch die
Thekengänge wandeln und Ausschau halten, wer auf der Tanzfläche knutscht und mit wem sich
noch ein Klarer kippen läßt. Und mit wem man nach Hause läuft.
Irgendwann ist eh alles zu spät, dann geht das junge Paar zum "Tanz ab 30". Da wird schon
fast nur noch Polka gespielt. Jetzt gibt's keinen Schnaps mehr, sondern einen schönen
Lindenblättrigen. Natürlich nicht aus der Flasche, sondern einem schmiedeeisernen
Weinspender. Das junge Pärchen sitzt mit einem anderen jungen Pärchen am Tisch, und in der
Pause knabbert man Salzstangen.
Na gut, das hatte man sich vielleicht anders vorgestellt, als man in der Tanzschule, artig im
Rock, in einer lange Reihe mit den anderen Mädchen saß und auf die Jungsreihe gegenüber
schielte. Dann wurde es doch nur Falko Winkler, der sich den Strauß, mit dem der Herr die
Dame zum Abschlußball abzuholen hat, von mir bezahlen ließ. Ich dachte, er sei ein
besonders ekelhaftes Exemplar der Gattung. Da kannte ich letztere noch nicht. Egal, zum
Tanzen braucht man sie einfach. Und ich möchte so gern mal wieder. Wer die große
Hammermühle kann, darf mich auffordern.
Ella Hummelsteg
|
|