|
Im Leben macht alles einen Sinn. Zumindest möchte man das glauben, auch wenn es
nicht immer klappt. Schön ist, daß ich jetzt doch noch erfahren durfte, wie nützlich
es sein kann, in Sachen Zivilverteidigung umfassend ausgebildet zu sein.
Jung war man damals und noch wenig vom Zahn der Weisheit benagt. Doof fand man
es gar, ins Lager zu fahren, in olivgrüne Uniformen zu schlüpfen, im Gleichschritt zur
Gulaschkanone zu marschieren und den Tag mit merkwürdigen Dingen zu verbringen.
Da balancierte man mit einem Rucksäcklein auf dem Rücken über Balken, um gleich
darauf behende eine Wand mit Loch darin zu erklimmen, die weiter keinen Zweck
erfüllte,als daß man sie erklimmen konnte. Man wäre ja eh wahnsinnig geworden, hätte man sich
nach dem tieferen Sinn mancher Dinge gefragt. Nun war man also schon so weit, daß man
brav durch ein bereitgehaltenes Loch mitten in der Landschaft sprang - erfüllt von der
einzigen Sorge, man möge es in weniger als einer Minute schaffen, was aus ebenso unerklärlichen
Gründen ganz wichtig für das persönliche Fortkommen und den Weltfrieden war. Da seilte
man eine ausgestopfte Gummipuppe namens Hugo von einem Holzgestell ab, bevor man sich
selbst ins Seil spannen ließ und klopfenden Herzens einer Bretterwand entlang dem festen
Boden des Vaterlands entgegenbaumelte. Da übte man das Bergen aus Trümmern, welche aus
einem umgekippten Betonelement bestanden, in die man den Hugo vorher schwitzend
hineingezerrt hatte. Da stapfte man des Nachts durch finsteres sachsen-anhaltinisches Getann,
bis aus dem Unterholz ein Ruf erschallte: "Wir machen jetzt K-n-n-noten." Der unglückselige
Genosse, den man an diese Station beordert hatte, war der flüssigen Rede nicht mächtig,
und ehe er's noch ausgesprochen, hatten wir schon die schönsten Seemanns- und andere Knoten
in den nächtlichen Wald hineingeknüpft - immer in der dumpfen Ahnung: Wer weiß, wozu's
gut ist.
Wozu es gut sein sollte, daß eine Einheit der Zivilverteidigung sich stets gut
getarnt durch die Landschaft bewegt, konnte einem niemand erklären. Wohl aber, wie man in neun
Sekunden eine Gasmaske aus der Tasche fingert und überstülpt. Schutzanzug in zwölf. Tja,
gelernt ist gelernt. Um mich herum tönt es von Angst - ich lehne mich zurück und rolle schon
mal ein Knäuel Wolle auf. Dafür macht sich nun wieder die Anschaffung eines Mannes
bezahlt.
Während man ansonsten mit Fug und Recht behaupten kann, daß dessen bloße
Anwesenheit auf dem Planeten selbigem nichts als Ärger eingehandelt hat, kann er sich in
Krisenzeiten wie diesen nützlich machen, indem er mit erhobenen Armen edelste Garne abwickelt -
womit auch diese Tätigkeit endlich einmal Sinn macht.
Hat man alle Wolle in handliche Knäuel transferiert, kann die Zivilverteidigung
losgehen. Denn unauslöschlich hat sich eingeprägt: Rettung beginnt mit zwei rechts, zwei
links. Nie ohne Strickzeug in den Luftschutzkeller! Ich persönlich verdanke all den Jahren
vor- und paramilitärischer Ausbildung: einen Pullunder, rot, Patentmuster. Eine Jacke,
braun meliert, Zopfmuster. Einen Pullover, weiß, mit Knopfleiste. Letztere erforderte
seinerzeit im Lager die Einbeziehung aller verfügbaren Kräfte, das gebündelte Knowhow und die
Schlagkraft einer ganzen Hundertschaft angehender Führungskräfte der Zivilverteidigung - bei
Westschokolade und Eierlikör, die wir uns wöchentlich schicken ließen beziehungsweise im
Barackenkonsum erstanden. Auch daran sollte man also denken, wenn man sein Sturmpäckchen fertig
macht.
Empfehlen kann ich auch die letzte "Brigitte", die passend zur Katastrophe neue,
geheime Strickmuster enthüllt. Ich fühle mich gerüstet.
Es meldet: Sanitätsgruppenführerin a.D.
Ella Hummelsteg
|
|