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Ella Hummelsteg, auch die Else Kling von Stötteritz genannt, lebt inkognito in Leipzig, haßt Tiere und wäre gern alleinstehend. Ihre Hausfrauenphilosophie erschien wöchentlich in der Tageszeitung junge Welt und in der online Ausgabe der Leipziger Frauenzeitung EVENTuell. Hier gibts einige ihrer Werke. Auf eine Veröffentlichung aller Ella-Weisheiten wird die Fangemeinde jedoch noch ein wenig warten müssen.

 
 

Ostern

 

Die Frau ist dem Mann einen Eisprung voraus - sie steht dem Ei eher nahe. Wenn Ostern kommt, passieren komische Dinge mit ihr. Aus freundlichen, emanzipierten Zeit- und Bettgenossinnen werden Putz- und Dekorationsmonster. Ein verhängnisvolles genetisches Programm spult sich ab, das sein hilfloses Opfer Fenster putzen, Zweige abreißen und in Vasen stellen, dutzendweise Eierkartons nach Hause schleppen, Sträußchen hier und da verteilen und Wohnungen in einen Zustand versetzen läßt, der einer Legehennenbatterie, nicht aber einer menschlichen Behausung geziemt. Christus wurde ans Kreuz genagelt, okay - aber immerhin mußte er nicht jährlich drei Zimmer mit Osterkörbchen geschmackvollen, möglichst selbstgefärbten Inhalts ausstaffieren. Es hat offenbar doch etwas mit anthropologisch konstanter Buße zu tun, daß die Frau sich in jeder Lebenslage an der Leibesfrucht abarbeiten muß - sei es die eigene oder die eines wildfremden Huhns. "Muß Eier malen" dröhnt und hämmert das Programm im weiblichen Hirn, und diesen Satz stammelnd verwandelt sie mit irrem Blick die Küche in ein schlimmes Chemikalienschlachtfeld, hantiert ökologisch korrekt mit Zwiebelsud und Teebeuteln oder schwingt den Pinsel. Das mit den Chemikalien hat zu Ostzeiten allerdings noch richtig Spaß gemacht, als nicht nur die guten alten KIM-Eier, sondern auch Töpfe, Frauenhände und anderes Küchengerät tiefste und auf ewig haltbare Färbung annahmen. Heutzutage muß seine Eierfarbe wohl aus Nordkorea oder Kuba beziehen, wer solch schöne osterliche Effekte noch erreichen möchte, aber bekanntlich ist es dort um die Osterkultur ja eher traurig bestellt.
Anders ist es in der Lausitz, wo ja bekanntlich noch Wunder gülden. Hier ist das ganze Jahr über Ostern, ist Eiermalen heiligster Volkssport und olympische Disziplin, sind Mann und Frau zu gleichen Teilen infiziert, verEInt im schönsten Sinn. Unsere sorbischen Brüder und Schwestern sind Eiermaler vor dem Herrn. In lustig bunte Trachten gehüllt, eine alte Weise auf den Lippen, den Federkiel in der von Wind und Wetter gegerbten Bauernhand, so sitzen sie beim Schein eines Talglichtleins Tag um Tag, Woche um Woche und eigentlich Jahr um Jahr und verzieren Ei um Ei auf das Lieblichste. Den alljährlich ausgetragen Wettbewerb um das schönste Osterei gewinnt seit ca. 150 Jahren eine gutmütig dreinblickende Babuschka namens Anna Tillich - zumindest kann ich mich nicht erinnern, je einen anderen Namen der Lokalpresse entnommen zu haben. Anna Tillich ist so etwas wie der Salvador Dalí des Sorbenlandes, denn der hatte es ja auch mit dem Ei. Was der Wissenschaft bisher verborgen blieb, sind die Ursachen dieser seiner Vorliebe. Es ist anzunehmen, daß seine Vorfahren aus der Gegend um Bautzen nach Katalonien ausgewandert sind. In seinem eierförmigen Herzen jedenfalls ist er wohl Lausitzer geblieben.
Dies ist jedoch nicht das einzige Rätsel, welches der angewandten Osterforschung zu ergründen bleibt. Klärung verlangt beispielsweise auch die Frage, wohin all die sorbischen Ostereier - von den deutschen nicht zu reden - nur verschwinden mögen. Essen kann sie bekanntlich kein Mensch. Ein geringer Prozentsatz wird so gut versteckt, daß niemand ihn je wiederfinden kann - das gehört einfach zu einem guten Ostersonntageierverstecken dazu. Wo aber bleibt der Rest? Hinweise nehme ich gern entgegen, aber bitte erst nach Ostern. Muß noch Eier färben.
Ella Hummelsteg