Unterschrift

Ella Hummelsteg, auch die Else Kling von Stötteritz genannt, lebt inkognito in Leipzig, haßt Tiere und wäre gern alleinstehend. Ihre Hausfrauenphilosophie erschien wöchentlich in der Tageszeitung junge Welt und in der online Ausgabe der Leipziger Frauenzeitung EVENTuell. Hier gibts einige ihrer Werke. Auf eine Veröffentlichung aller Ella-Weisheiten wird die Fangemeinde jedoch noch ein wenig warten müssen.

 
 

Setzt Segel!

 

Es ist ein kleines, aber gemeines Körperteil, das vorzugsweise in der männlichen Ausführung Leid und Unglück über Mensch und Beziehung bringt. Wo das Gaumensegel spricht, schweigt die Vernunft, und die Liebe wird müde. Weil sie nicht schlafen kann - und das, obwohl sie morgen früh um sechs schon wieder raus muß.
Im Schlafzimmer stellt sich die letzte und alles entscheidende Machtfrage, und die kennen wir aus alten Stabü-Tagen: Wer wen? Oder auch: Wem nützt es es? Derart ideologisch betrachtet muß man zunächst einmal sagen, daß Schnarchen allenfalls dem Schnarcher selbst nützt, obwohl der Wert dieses Tuns auch bei eingehender Überlegung nicht klar wird. Man könnte fast annehmen, der liebe Gott habe aus lauter Boshaftigkeit den Keim des Unfriedens ins letzte Refugium trauter Zweisamkeit legen wollen. Als wären wir zwei: Du, ich und dein Gaumensegel. Dort, wo alles beginnt und endet, in der Kiste, den Federn, im Bett, auch dort soll keine Harmonie sein. Zumindest nicht lange. Denn das Ganze ist geschickt eingefädelt. Entweder schnarchen verliebte Männer nicht (das wäre zumindest ein interessanter Beweis dafür, daß Männer doch Gefühle haben), oder verliebte Frauen sind nicht nur blind, sondern auch erstaunlich taub. Oder aber, schlimmer noch, sie finden das Gegrunze von nebenan süß oder sind gerührt oder anderweitig geistesgestört und deshalb daran gehindert, den Schnarcher schnellstens zu fliehen. Dann sind sie freilich selbst schuld und sollen zeitlebens ordentlich beschnarcht sein. Und sich nicht beschweren.
Ich aber beschwere mich, denn ich habe nicht all inclusive gebucht. Des Nachts schlafe ich zuweilen gern einmal, vielleicht hätte ich das vor Einzug ins gemeinsame Schlafzimmer in dieser Deutlichkeit sagen sollen. Konnte der Schnarcher ja nicht wissen, daß es Menschen gibt, die zwischen zwei und fünf besseres zu tun haben, als ihm zu lauschen. Sofern er natürlich überhaupt Töne von sich gibt, denn in Wahrheit hat er ja gar nicht geschlafen, kann also auch nicht geschnarcht haben! Der Schnarcher ist ein Phantom, das schwer zur Strecke zu bringen ist. Egal, ob er schnarrt, rasselt, fiept, ächzt, krächzt, grunzt, pfeift, röchelt, zirpt oder tiriliert - sobald die empörte Rede drauf kommt, wird er zum Kindergartenkind, das bei leisester Ansprache sofort die Hände zur Abwehr erhebt und beleidigt ausruft: Ich war's nicht!
Also was tun? Abhöranlagen installieren? Ehescheidung einreichen? Oder dem spontanen Reflex zum Erdrosseln des akustischen Schwerverbrechers nachgeben? Nein, es macht keinen Spaß, jemanden zu würgen, der sowieso schon klingt, als hätte er eine Schraubzwinge als Halskrause angelegt. Oder wie schon Gundermann, der übrigens ein Schnarcher vor dem Herrn gewesen sein soll, sang: viel zu kurze Messer und viel zu lange Nächte. Es gibt Frauen, denen die Natur die Waffe des Selber-Schnarchens gab. Nicht schlecht, aber Vorsicht: Ist akut lebensverkürzend. So klingt?s zumindest. Bleibt also der schwache Trost, daß es sich eher früher als später ausgeschnarcht hat. Ob man von einem Schnarcher auch behauptet, er sei ruhig eingeschlafen? Ella Hummelsteg