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Ella Hummelsteg, auch die Else Kling von Stötteritz genannt, lebt inkognito
in Leipzig, haßt Tiere und wäre gern alleinstehend. Ihre Hausfrauenphilosophie
erschien wöchentlich in der Tageszeitung junge Welt und in der online Ausgabe der Leipziger Frauenzeitung EVENTuell.
Hier gibts einige ihrer Werke. Auf eine Veröffentlichung aller Ella-Weisheiten wird die Fangemeinde jedoch noch ein wenig warten müssen.
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Auf der Liste der aussterbenden Spezies stehen ganz oben die Tanten.
Sieht man vom netten Schwulen von nebenan mal ab, werden unsere Kinder
keine Tanten mehr haben. Das ist traurig. Rein theoretisch kommt es natürlich
vor, daß Elternteile Schwestern - also potentielle Tanten - haben.
Aber welche moderne junge Frau unserer Zeit läßt sich schon
gern so nennen? Das riecht nach Kukident, Stützstrümpfen und
sauren Kirschbonbons zu 30 Pfennig, die Tante Erna aus Schlema früher
gern als Mitbringsel präsentierte.
Hier aber geht es um Tante Herta. Sie zählte zur Tantenuntergruppe
der merkwürdigen Alten, die unsere Kinder gleich gar nicht mehr kennenlernen
werden. Ihr Verlobter war in Rußland gefallen, was sie gleichzeitig
zur Kriegswitwe und alten Jungfer machte - obgleich letzteres in der Familie
zwar viel diskutiert, aber nie endgültig geklärt wurde. Sein
Bild stand UFA-Star-gleich auf der Anrichte, direkt neben dem Pflaumenmännchen,
das seinerzeit noch zur Grundausstattung der Altfrauenwohnung gehörte
und von uns Kindern gern angeknabbert wurde.
Tante Herta war nur im Nebenberuf Tante und Pflaumenmännchenbewacherin,
hauptberuflich war sie Aktivistin. Sie arbeitete im Wasserwerk, und da
sie keine Familie hatte, arbeitete sie eigentlich immer. Früh, mittags,
abends, nachts, Ostern und Geburtstag. Nur Weihnachten nahm sie frei und
reiste mit Unmengen von Dederonbeuteln an. Wir Mädchen bekamen etwas
"für die Aussteuer", die Jungs was Schönes. Die Erwachsenen wurden
von Tante Herta mit Kleinoden volkstümlichen Kunstschaffens beschenkt.
Denn sie war nicht nur DSF-Kassiererin, sondern auch verantwortlich für
die Betreuung der Betriebs-Seniorengruppe. Diese Wasserwerkssenioren müssen
von früh bis spät unermüdlich gebastelt und Tante Herta
muß die Exponate alle aufgekauft haben - wahrscheinlich von ihren
Aktivistenprämien. Problematisch war nur, daß vor Tante-Herta-Besuchen
all die scheußlichen Klammerbecher, Streichholzmühlen und Kronkorken-Schaumgummi-Blumensträuße
aus dem Keller geholt und in der Wohnung verteilt werden mußten.
Sonst wäre Tante Herta ihrer Lieblingsbeschäftigung - eingeschnappt
sein - nachgegangen, und zum nächsten Fest hätte es keine Makramee-Ampel
gegeben. Ansonsten verbrachte sie Weihnachten streitenderweise mit der
Oma beim Rommé-Spiel, wobei sich die alten Damen mehr als zwei Jahrzehnte
lang nicht einigen konnten, wann man klopfen und auslegen darf, sich gegenseitig
des Betrugs zichtigten und stets tödlich beleidigt abreisten.
Tante Herta unternahm in ihrem Aktivistenarbeitsleben genau drei Urlaubsreisen:
nach Usedom, nach Oberhof und eine Auszeichnungsreise nach Moskau. Von
dort zurückgekehrt empfing sie ein Team des DDR-Fernsehens mit der
Frage nach Reiseimpressionen. Tante Herta überlegte lange und gründlich
vor laufender Kamera, bevor sie mitteilte: "Es gab viel zu essen." Darüber
mag sich die Nation gewundert haben - wir nicht. Wurde doch bei Tante Herta
stets gespart. Ihre Wohnzimmerschränke quollen über vor Jahrhunderte
alten Schokoladen-Weihnachtsmännern und Osterhasen sowie ebenso bejahrten
bemitleidenswerten Erdnußflips. Essen streng verboten. Außerdem
lagerten dort mehrere Jahrgänge "Für Dich", denn im DFD war Tante
Herta selbstverständlich auch, sowie "Constanze", die sie von ihren
westgereisten Rentnern zugesteckt bekam. Hier wurde für verhängnisvolle
Lesepräfenrenzen meinerseits der Grundstein gelegt - an langen Abenden
mit knarzenden alten Humor- und Operettenplatten ("Eine Stunde gute Laune")
sowie Bowle aus ulkigen kleinen Gläschen, wobei Tante Herta stets
im Sessel einschlief und schnarchte.
Kurz nach der Wende ist sie gestorben. Nicht ohne die politischen Vorgänge
noch in einem Brief kommentiert zu haben: "Immer was Neues und nischt Gescheites."
Und unterschrieben hat sie wie immer mit: Schüß!
Ella Hummelsteg
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