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Ella Hummelsteg, auch die Else Kling von Stötteritz genannt, lebt inkognito in Leipzig, haßt Tiere und wäre gern alleinstehend. Ihre Hausfrauenphilosophie erschien wöchentlich in der Tageszeitung junge Welt und in der online Ausgabe der Leipziger Frauenzeitung EVENTuell. Hier gibts einige ihrer Werke. Auf eine Veröffentlichung aller Ella-Weisheiten wird die Fangemeinde jedoch noch ein wenig warten müssen.

 
 

Traurige Tanten

 

Es begann mit Rosenstolz. Schöne Hetera im Ledermieder und schwuler kleiner Junge mit Schmachtblick - welche Frau wollte da nicht mittun? Der schwule Freund wurde zum Programm der 90er, auf einmal wollte jede Großstadtschrunse, die was auf sich hielt, einen haben. Ohne war frau kaum noch gesellschaftsfähig. Ein zartes Pflänzchen sollte er sein, der schwule Freund, sensibel und verständnisvoll mit ihr auf dem Sofa sitzen, "Verbotene Liebe" glotzen und sich stundenlangen Lebenskrisenschwachsinn anhören. Oder aber schrill und sexy - so wie frau selbst gern wäre, aber sich nicht traut - in engen schwitzigen Latexklamöttchen mit gefärbten Haaren und grellen Hemden, deren Muster um Designerhilfe rufen. Sie galten als die besseren Frauen, als beste Freundinnen sowieso. Dagegen sprach nur, daß man sie nicht mit aufs Klo nehmen konnte. Selbst das öffentlich-rechtliche Fernsehen entdeckte die Rosenstolz-Kombination für sich, woraufhin keine Wir-sind-ja-so-tolerant-Komödie mehr ohne Hera-Lindwurmartige Superweibgeschöpfe samt aufgeblasener Tucke mehr auskommen konnte. Der schwule Freund gehörte zur Grundausstattung wie in den 80ern noch das Patchouliparfüm und wie bei jenem handelt es sich bei diesem um einen völlig überschätzten Mythos.
Und dabei saßen doch in Wahrheit nur ein paar traurige Tantchen, die hilflos in unseren Küchen rumsaßen, wo sie auch keine Probleme damit hatten, Zigarettenkippen, Dark-Room-Erlebnisse und anderen Unrat fallen zu lassen. Oberhygieniker sind Schwule nur bei sich zu Hause. Da wird einem die Kaffeetasse noch beim Trinken aus der Hand gerissen, um sie dem Abwasch zuzuführen. Am liebsten wäre es dem Schwulen, man nähme gleich selbst im Abwaschwasser Platz, dann würde man nichts beschmutzen bzw. könnte gleich noch frisurmäßig ein bißchen bezuppelt werden. Im Spülbecken könnte man zumindest untertauchen, wenn wieder Madonna oder Klaus Nomi ertönt oder am Ende gar Rosenstolz, von triefenden Operarien ganz zu schweigen. Und wer hat gesagt, man könne hier Liebeskummer abladen? Zwei ausgewachsene Mittdreißiger Frauen können zusammen nicht mehr Seelenschmerz ins Wagschälchen werfen als ein einziger, sagen wir, zwanzigejähriger Jungschwuler. Denn der gehört wiederum zu seiner Grundaustattung.
Ebenso wie Eifersucht. Auf seinen alten Lover? Ach., wenn's nur so wäre. Kein Mann darf je die Schwelle, das Herz oder gar andere Areale seiner besten Freundin erobern. Natürlich behauptete er, keiner wäre gut genug - was ihr wiederum schmeichelte. So blieben beide hübsch einsam, was bei ihr kein Wunder war. Schließlich mußte sie sich ständig in Schwulencafés, Regenbogenbars oder eindeutigen Diskotheken rumdrücken. Man wolle eh nur tanzen, begründete das der schwule Freund. Das entspricht ungefähr dem Wahrheitsgehalt der Behauptung, schwule Freunde wollten nichts von Frauen, und das sei schön. Erstens wollen schwule Freunde liebevolle Betreuung bis an ihr Lebensende - und sie leben weißgott länger als ein Goldhamster. Zweitens ist Sex doch eines der ganz wenigen Dinge, zu denen Männer überhaupt zu gebrauchen sind. Wer würde schließlich ein Messer kaufen und behaupten, es wäre besonders schön, daß es keine Schneide hätte?
In letzter Zeit hört man kaum noch vom schwulen Freund. Denn eine Einsicht hat das Rosenstolz-Jahrzehnt gebracht: Schwule sind gut getarnt, aber am Ende auch nur Männer Ella Hummelsteg