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ist die Welt noch in Ordnung. Schon allein weil in dessen Häusern
Mägdelein und Knaben hübsch getrennt voneinander die Häupter
betten. Das ist löblich, aber man weiß hier die Geschlechter
nicht nur auf das trefflichste zu trennen, sondern auch in ihre Rollen
zu weisen. Wer einen Vertrag mit ihm schließt, findet dort beide
"Herbergseltern" aufgeführt - unterschreiben jedoch darf nur der Herbergsvater.
So ist's Recht! 21. Jahrhundert hin, Gleichstellung her, unsere Jugendherbergen
sind Horte von Tradition und Sitte, jawollja.
So ein Herbergsvater ist
schließlich eine Vertrauensperson. Früh springt er dynamisch
im Silastik-Trainingsanzug über die gebohnerten Gänge und treibt
wie weiland Turnvater Jahn das Jungvolk vom keuschen Nachtlager in die
Bahnen eines geordneten Jugendlebens (das man in der DDR gern auch als
froh bezeichnete). Die Herbergsmutter hat schon die Kittelschürze
über- und Jagdwurstscheiben auf Plasteteller geworfen. Vom Frühstück
strebt das Jungvolk aus, um wißbegierig auf Naturlehrpfaden die Heimat
zu erkunden. Zeit für den Herbergsvater, die Glühbirnen einzudrehen,
Doppelstockbetten zu leimen, Parkplätze zu harken und Teekübel
zu bewegen. So stellt man ihn sich schließlich vor: das Hämmerchen
stets griffbereit, die Wanderkarte gezückt, die Gitarre geschultert
und das Rennsteiglied auf den Lippen. Und zwischendurch bestellt er das
kleine Stubenmädchen zu sich und will ein klein bißchen Spaß,
der Herbergsvater. Die Herbergsmutter dirndelt sich indessen durch die
Räume, flickt hier ein blaukariertes Bettuch, putzt da ein Fenster,
oder sie brät Buletten für's Abendbrot. Wer wollte da nicht Herbergskind
sein, bei solchen Eltern?
Wer wollte sich da ernsthaft
empören über den Jugendherbergsverband? Zumal er konsequent verfährt:
Auf sämtlichen Formularen ist nur die Rede vom "Leiter" bzw. "Betreuer"
- ebenbürtige Verhandlungspartner für den Herbergsvater. Die
Leiterinnen und Betreuerinnen können derweil mit der Herbergsmutter
Kartoffeln schälen und sich über Menstruationsprobleme und Kinderaufzucht
unterhalten.
Grundfalsch wäre es,
den Deutschen Jugendherbergsverband ächten oder anprangern zu wollen.
Vielmehr findet gerade die moderne, berufstätige, feministische Frau
und Mutter - kurz, die geplagteste aller Kreaturen der Neuzeit, hier eine
Nische des wahren Seins, der wirklichen und ehrlichen Verhältnisse.
Die Jugendherberge ist ein geschützter Raum, denn hier gibt es keine
Illusionen. Außerhalb dieses Raumes darf die Frau zwar Verträge
unterschreiben und mit Gott und der Welt verhandeln, worüber sie möchte.
Es nützt ihr nur nichts. Spätestens wenn die linksliberalen Schwiegereltern
anrufen oder die Nachbarn zu Besuch kommen, ist die Ordnung wieder hergestellt:
Man wird ihren Mann und Kindsvater auf die Krise in Mazedonien ansprechen,
auf sein neues Projekt in der Firma und wie es mit der Karriere vorangeht,
bittschön. Die Frau mag promoviert, erfolgreich und weltoffen danebensitzen
- ihr fällt die Beantwortung der Frage zu, ob das Kind jetzt durchschläft
und wieviel Zähne es schon hat. Sie wird sich glücklich schätzen,
immerhin schon zu solch subtilen Themen befragt zu werden, wurde doch während
der Schwangerschaft überhaupt nur eine Frage an sie gerichtet: Na,
wann ist es denn soweit? Sie wird sich später auch kaum darüber
wundern, daß sie zur Schwangerschaft zahlreichere und herzlichere
Glückwünsche empfing als zur Habilitation - obwohl die Erlangung
der ersteren eine Sache von fünf Minuten war, während sie für
letztere zwanzig Jahre geschuftet hat. Nein, es wird sie nicht wundern
noch verdrießen. Vielmehr wird sie Asyl beantragen - beim Deutschen
Jugendherbergsverband. Den Vertrag freilich wird ihr Mann unterschreiben.
Ella Hummelsteg
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