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Sie haben unser Leben zerstört,
und deshalb haben wir es ihnen weggenommen. Oder wie schon Gundermann sang:
"Die bemalte Kinderzimmertür fiel hinter uns zu." Hat aber nix genutzt,
denn spätestens wenn man selbst Kinder hat, steht der Feind wieder
auf der Schwelle, diesmal getarnt als Oma und Opa. Da hatte man sich mühevoll
eine Art friedlicher Koexistenz erarbeitet: himmlische Ruhe das ganze Jahr
über, nur unterbrochen durch 14-tägige Anrufe, bei denen man
stets versicherte, daß es nichts neues gäbe, und dann natürlich
Ostern, Weihnachten und vielleicht der 60. Geburtstag - gottlob immer Anlässe,
wo es viel zu essen und zu trinken gab.
Jetzt aber erscheinen diese
Menschen, mit denen man abgeschlossen hatte, gut gelaunt (waren sie uns
gegenüber jemals gut gelaunt?) in der Tür, schieben Bobby Cars
und Plüschtiere durch dieselbe und verkünden, sie blieben drei
Tage, um das Enkelchen zu sehen. Grundgütiger! Wer hat so schlimme
Sünden begangen, daß er sich zur Strafe drei Tage mit den eigenen
Eltern unterhalten muß? Am Stück, wohlgemerkt.
Ja, die Eltern der anderen
fand man immer cool. Irgendwie so nett und locker.Mit denen konnte man
sogar Bier trinken gehen. Unverständlich, daß deren Kinder so
mißgelaunt danebensaßen. Unvergessen aber der Schock, als die
eigenen Eltern die Geburtstagsparty zum 30. erstürmten. "Überraschung!"
Wie sie mit den Freunden lachten und scherzten. Wie man selbst griesgrämig
und voll Weltschmerz in der Küche hockte. Und vor allem nüchtern.
Da war man nun erwachsen, ja uralt, und saß immer noch im Kinderzimmer,
symbolisch.
Eltern behalten immer einen
Fuß in der Kinderzimmertür, die deshalb nie wirklich hinter
uns zufliegen kann - so sehr wir auch damit knallen. Dann sitzen sie also
bei uns auf dem Sofa und halten unseren Nachwuchs auf den Knien. Verdammt,
haben die mit uns auch so geredet? So säuselnd? Mit so hohen Stimmchen?
Muß sich das ein Enkel gefallen lassen, rein menschenrechtsmäßig
betrachtet? Aber unsere Kinder entpuppen sich als Verräter, die eigentlich
sofort enterbt gehören: Ihnen gefällt's.
Woher sollen sie auch wissen,
was wahre Großeltern sind. Richtige Opas und vor allem Omas, wie
wir sie noch kennenlernten? Bei denen man bis in die Puppen fernsehen durfte,
während sie im Sessel schnarchten. Mit denen man einmal in den Ferien
die Fischbratküche besuchte und hinterher die Eisdiele, die tatsächlich
noch so hieß. Die am Sonntag einen ordentlichen Kuchen buken - mit
guter Butter, versteht sich - und immer Angst hatten, daß die Kartoffeln
zum Mittag nicht reichten. Aus deren Radio auf demKüchenbuffet ein
Strauß bunter Melodien mit Siegfried Loyda ertönte. Die in einer
unförmig-voluminösen, braunen Tasche ein Zellophankopftüchlein
aufbewahrt hatten, das sie sich über den ondulierten Omakopf spannten,
wenn?s regnete. Die am Zeugnistag ein Fünfmarkstück aus dem abgegriffenen
Omaportemonnaie mit Aufschrift "Gruß aus Oberhof" klaubten.
Die heutigen Großeltern
klauben nix, sie haben ein Konto eingerichtet (haben sie für uns je
irgendwas eingerichtet?). Fernsehen lehnen sie ab und sind entsetzt, daß
unsere Kinder Teletubbies gucken dürfen. Statt in die Fischbratküche
geht?s zum Edel-Italiener, und Kuchen macht dick. Statt in die Eisdiele
rennen sie in?s Fitness-Center und machen "Omm" im Yogakurs.
Ach, was sind das für
Zeiten? Die einen wollen Großeltern sein, aber am liebsten ewig zwanzig
bleiben. Die anderen werden um die Erfahrung volkstümlicher Weisen
und den Geruch von Kampfereinreibung im Schlafzimmer gebracht. Die dritten
aber - nämlich wir - müssen warten, bis sie's an den Enkeln rächen
können. Denn soviel ist klar: im Vergleich zu unseren Eltern sind
wir schon jetzt die besseren Rentner.
Ella Hummelsteg
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